Lernpotenzial Dialog

«Eins der Geheimnisse des dialogischen Lebens ist die Bereitschaft, das zu verzeihen, was wir in anderen sehen, und zu akzeptieren, dass es auch in uns ist.»

– William Isaacs

Dialogfähigkeit ist mehr als eine kommunikative Kompetenz. Sie ist eine Haltung in der Begegnung, die ermöglicht, grundsätzliche Verschiedenheiten zwischen Menschen bezüglich ihrer Wahrnehmung und Bewertung anzuerkennen. Aus dieser Haltung heraus wird der Gesprächsbeitrag des anderen als Bereicherung erlebt, als ein Beitrag zur Vervollständigung des Gesamtbildes.

Festgefahrene, unproduktive Denk- und Kommunikationsmuster können beleuchtet und aufgebrochen werden, wodurch das Gespräch wieder in Fluss kommt.

Im Dialog wird kein Anspruch erhoben, zu einem abschliessenden Resultat oder zu einer letzten Wahrheit zu gelangen. Vielmehr schafft der Dialog Raum für unterschiedliche, vielfältige Sichtweisen, ohne deren Richtigkeit rechtfertigen zu müssen.



Während in den sechziger und siebziger Jahren bildungspolitisch das Erlernen von Kritikfähigkeit eingefordert wurde, dürfte heute angesichts der Komplexität der Probleme Urteilsvorsicht hilfreich sein: 

Nachdenklichkeit anstelle von voreiligen Schlussfolgerungen und Lösungen, eine Fragekultur anstelle einer Kritikkultur. 

Der Dialog fördert diesen Paradigmenwechsel. Die Sensibilität für Prozesse der subjektiven und kollektiven Wahrnehmung verfeinert sich, die Informationsverarbeitung und Urteilsbildung fällt leichter und bleibt durchlässig.